Institut Wohnen und Umwelt vor 50 Jahren in Darmstadt gegründet
Anlässlich seines 50-jährigen Bestehens wirft das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt (IWU) einen Blick auf seine Entwicklung seit seiner Gründung.
Im Jahr 1971 nahm die Forschungseinrichtung ihre Arbeit mit einer sozialpolitischen Zielsetzung auf – auf Vorschlag des vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Osswald einberufenen Gründungsausschusses. Gesellschafter des Instituts sind das Land Hessen mit 60 % und die Wissenschaftsstadt Darmstadt mit 40 % des Stammkapitals.
Der Gesellschaftsvertrag von 1971 formuliert den bis heute gültigen Forschungsauftrag: Das IWU soll „durch wissenschaftliche Forschung und Beratung in interdisziplinärer Zusammenarbeit die gegenwärtigen und zukünftigen Formen des Wohnens und der Umwelt untersuchen“.
Derzeit beschäftigt das Institut 41 Mitarbeitende. Das IWU zählt bei Fragenzu Wohnungsmärkten und -politik sowie Klimaschutz durch energetische Gebäudebewertung und -optimierung zu den führenden außeruniversitären Forschungsinstituten Deutschlands. Seit dem Jahr 2012 leitet Geschäftsführerin Dr.-Ing. Monika Meyer das Institut. Wegen der Covid-19-Pandemie wird das IWU-Jubiläum im Jahr 2022 gefeiert.
IWU-Forschung aktueller denn je
Zu den wichtigsten Meilensteinen der Institutshistorie zählen die Konzeption des weltweit ersten Passivhauses im Jahr 1990, weiterhin die Etablierung methodischer Innovationen bei der Erstellung von Qualifizierten Mietspiegeln – mit Methoden, die die Zusammensetzung von Mietpreisen mithilfe statistischer Verfahren anhand einzelner Wohnwertmerkmale
nachvollziehbar machen – und schließlich die Entwicklung der deutschen Gebäudetypologie im Jahr 1989, die energierelevante Charakteristika und Einsparpotenziale des westdeutschen Wohngebäudebestands veranschaulicht. Die Darmstädter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen zwei Themenbereiche ins Zentrum: erstens Wohnen sowie zweitens Energieeffizienz und Klimaschutz. Im ersten Bereich werden Wohnungsmärkte und wohnungspolitische Instrumente erforscht sowie Prognosen erstellt, um daraus Empfehlungen für die Politik auf Bundes- und Landesebene, kommunale Verwaltungen oder Akteure in der Wirtschaft zu formulieren. Beispielsweise erstellte das IWU im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums die 2020 aktualisierte „Wohnungsbedarfsprognose für die hessischen Landkreise und kreisfreien Städte bis 2040“, erarbeitet regelmäßig Qualifizierte Mietspiegel für Frankfurt a. M. und Darmstadt und arbeitet zu Themen wie Wohngeld oder Kosten der Unterkunft in der Grundsicherung. Im zweiten, 1986 eingeführten Bereich forscht das IWU zu Technologien und Konzepten für energiesparende Gebäude. Mit Projekten z. B. zu rationeller Energienutzung, Optimierung energieeffizienter Gebäude oder institutseigenen Verfahren und IT-Tools zur energetischen Gebäudeanalyse leistet es einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor. Institutsleiterin Dr. Meyer konstatiert: „Unsere derzeitigen Herausforderungen sind der menschengemachte Klimawandel, der demografische Wandel und der Wohnungsmangel in Ballungsräumen. Die interdisziplinäre Bearbeitung von Forschungsfragen zu energetischer Modernisierung, Wohnungsmärkten und den Akteuren vor allem im Gebäudebereich unter einem Dach ist das Alleinstellungsmerkmal des IWU.“
Klimaziele für Gebäude forschungsbasiert erreichen
Die Forschung zu energieeffizienten Gebäuden konzentrierte sich zunächst auf Wohngebäude und erweiterte sich vor rund zehn Jahren um den Sektor der Nichtwohngebäude (NWG). Jüngst schloss das IWU das bei Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vielbeachtete Projekt „Datenbank Nichtwohngebäude“ ab, das vom Bundeswirtschaftsministerium aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert wurde. Unter Koordination des IWU wurde dabei erstmals der Bestand an Nichtwohngebäuden in Deutschland, z. B. Verwaltungsgebäude oder Produktionsstätten, repräsentativ erfasst. Der gewonnene „Datenschatz“ schließt zahlreiche Wissenslücken, z. B. zu Alter oder energetischem Zustand dieser Bauten. Ein zentrales Forschungsergebnis: NWG-Bestandsbauten, die mehr als die Hälfte der Gebäude in diesem Segment ausmachen, weisen zusammengenommen nur an etwa 28 % aller Außenwandflächen eine Wärmedämmung auf. Wenn die Klimaschutzziele im Gebäudebereich erreicht werden sollen, ist eine deutliche Erhöhung und Beschleunigung der Dämmrate notwendig. Eine im institutsinternen Dialog geborene Idee führte das IWU konsequent weiter und kann heute, zusammen mit in früheren Projekten erhobenen Daten zu Wohngebäuden, einen Datenpool zu allen thermisch konditionierten Gebäuden in Deutschland nutzen. Diesen können auch institutsfremde Forschende für eigene Auswertungen anfragen.
Aufbruch in den 70er-Jahren
Kein Zufall, dass das das IWU 1971 mit einem sozialpolitisch orientierten Auftrag gegründet wurde: Die erste Phase der Nachkriegszeit hinter sich lassend, wollte die Politik zu einer aktiveren Steuerung der räumlichen Entwicklung gelangen und dafür verstärkt wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen. Kommunale Entwicklungsplanung sollte systematischer sowie an Forschungsergebnissen orientiert betrieben werden und ging mit einer allmählichen Loslösung von älteren städtebaulichen Leitbildern einher. Der seinerzeit kritisierte, zunehmende Verfall von Stadtteilen sollte durch wissenschaftlich fundierte Stadtsanierung korrigiert werden. In diesem Kontext ist das im Jahr 1971 verabschiedete Städtebauförderungsgesetz zu sehen, das den Grundstein für eine vorausschauende und bedarfsgerechte Stadtentwicklung legte. Dr. Meyer erläutert: „In den 1970er Jahren fand ein Paradigmenwechsel in der Planung statt. Dem geschuldet durchlief das IWU zunächst eine mehrjährige Experimentierphase, um in eine tragfähige interdisziplinäre Zusammenarbeit zu finden. Dabei erwies es sich in den letzten Jahrzehnten gegenüber sich ändernden Rahmenbedingungen als sehr resilient, entwickelte sich stetig weiter und stellt heute eine wichtige Größe in der Forschungslandschaft dar.“
Wissen für eine nachhaltige Zukunft
Das IWU steht für forschungsbasierte Politik- und Gesellschaftsberatung und beschäftigt derzeit u. a. Volkswirte, Mathematiker und Physiker genauso wie Soziologen oder Ingenieure der Energie- und Umwelttechnik. Seit 2016 gliedert es sich in die vier Forschungsfelder „Wohnungsmärkte und -politik“, „Energetische Gebäudebewertung und -optimierung“, „Strategische Entwicklung des Gebäudebestands“ und viertens „Handlungslogiken von Akteuren im Gebäudebereich“. Es trägt sich über die Zuwendungen der beiden Gesellschafter Land Hessen und Wissenschaftsstadt Darmstadt sowie über Drittmittelprojekte. Zu seinen wichtigsten Auftraggebern gehören Bundesministerien. Drittmittel wirbt das IWU auch in EU-Forschungsprojekten, in Projekten im Auftrag des Landes Hessen und verschiedener Kommunen ein.
Die IWU-Partner in Hessen nutzen die wissenschaftliche Kompetenz des multidisziplinären Teams. Das IWU zählt zu den Mitgliedern der vom hessischen Wirtschaftsminister ins Leben gerufenen „Allianz für Wohnen in Hessen“ für bezahlbaren Wohnraum. Gut vernetzt ist man z. B. auch mit dem Kasseler Energiewende-Innovationscluster „House of Energy“. Zudem ist das IWU in Projekten der Nassauische Heimstätte, des Darmstädter Bauvereins und der ABG Frankfurt wissenschaftlich tätig.
Impulsgeber für Politik und Zivilgesellschaft
Zukünftige Forschungsschwerpunkte setzt das IWU in den Bereichen Wohnungsmärkte und Klimaschutz. Geplant sind z. B. Projekte zur Verbesserung institutseigener Berechnungsmodelle für die exaktere Prognose des Wohnungsbedarfs oder für klimaneutrales Wohnen verschiedener Gesellschaftsgruppen. IWU-Geschäftsführerin Dr. Meyer stellt im Rückblick auf die Institutshistorie fest: „50 Jahre IWU sind geprägt von interdisziplinärer Forschung zu ökonomischen und politischen Instrumenten der Wohnungsversorgung, technischen Möglichkeiten für energieeffiziente Gebäude und dem Blick auf Perspektiven der jeweiligen Akteure. Mit Wissenschaft und vielfältiger Politikberatung – zudem eine offene Institutskultur pflegend – will das IWU einen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten.“
© Mitteilung der Institut Wohnen und Umwelt GmbH vom 04.10.2021
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